„Aus und vorbei?“ „Das soll es gewesen sein?“ Diese und ähnliche Kommentare waren am vergangenen Sonntag auf dem Platz vor der Schleifbachhütte im Deister zu vernehmen. Tränen flossen, als Hüttenwart Matthias Bade symbolträchtig einen Kranz an den Wegstein zur Schleifbachhütte legte. Und dies nicht, weil passender Weise Totensonntag war. Am Morgen des 23. Julis fiel die Hütte den Flammen zu Opfer. Zu Schaden kam niemand. Nach langen Bemühungen die Hütte wieder aufbauen zu können steht nun fest: Die Hütte wird abgerissen. Schon am nächsten Tag sollen die Baufahrzeuge anrücken. Die Fassungslosigkeit war den anwesenden Vertretern der 23 Jugendgruppen aus Jugendfeuerwehren, DLRG, Sportvereinen und vielen mehr in die Gesichter geschrieben.
Den Rucksack packen und vom Parkplatz aus zur Schleifbachhütte wandern. So war es bei vielen Jugendgruppen aus der Region seit 1963 eine Tradition. Aus vielen Familien können sogar drei Generationen auf das Erlebnis Schleifbachhütte zurückblicken. Nie hörte man in den Geschichten über nennenswerte Zwischenfälle. Bis zum Morgen des Unglücks. Ein Kamin war an einer kleinen Stelle gerissen und hatten den Dachstuhl entzündet, heißt es in den Berichten der Brandermittler. Davor konnte nicht einmal der umsichtige Umgang mit dem Feuer wahren.
Unterhalten wurde die Hütte, die sich im Eigentum der Niedersächsischen Landesforst befindet, von der Region Hannover mithilfe von vielen ehrenamtlichen Helfern, die sich mehrmals im Jahr trafen, um die Hütte und das Gelände zu pflegen. Alles wurde in Eigenregie durchgeführt und als Dankeschön stand die Hütte allen Jugendgruppen, die sich an diesen Arbeiten beteiligten, zweimal im Jahr zur Verfügung.
Die Hütte im Wald wurde von den Gruppen sehr gerne angenommen. Kein Strom, frisches Wasser aus einer Bergquelle, Kochen auf einem Kohleofen wie zu – ja mittlerweile muss man schon sagen – Urgroßmutters Zeiten und mäßiger Mobilfunkempfang machten die Hütte zu etwas einzigartigen, um Kindern und Jugendlichen auf ganz andere Art und Weise Werte zu vermitteln, die in der heutigen Zeit nur schwer zu vermitteln sind. Mit einer Kerze im Dunkeln die Sanitären Anlagen in einer separaten Hütte aufsuchen, das kennen viele vielleicht aus den Geschichten der Großeltern. Selbst erleben wird es heute kein Jugendlicher mehr. Gleiches gilt für warmes fließendes Wasser und Strom aus der Steckdose. Statt Computer, Spielekonsole und Fernsehen einmal ein Gesellschaftsspiel spielen oder sich mit dem Wald vor der Tür beschäftigen, ist für viele Jugendlichen eine ganz neue Erfahrung. Erfahrungen konnten auch diejenigen sammeln, die sich an den Arbeitswochenenden beteiligten. Raus aus dem Alltag und das erledigen, was an Arbeit anfiel. So hackte mal ein Polizeibeamter Holz für ein halbes Jahr, ein Elektriker übte sich im Tischlern oder ein Informatiker pflanzt junge Bäume um. Jeder konnte sich irgendwie einbringen und an Erfahrungen dazugewinnen. Eine weitere Besonderheit war und ist auch noch der angrenzende Stollen. Vor einigen Jahren wurde begonnen diesen aus eigener Kraft auszubauen, um die Wasserversorgung der Hütte zu sichern. Denn in diesem befindet sich die Quelle, welche durch ein Rohr entlang des Stollens nach draußen geführt wurde. Mit 23 Jugendgruppen war die Hütte das ganze Jahr über voll ausgebucht. Ausgehend von 52 Kalenderwochen, von denen 12 auf Arbeitswochenenden und Sperrzeiten entfielen, blieben 40 Wochenenden für die Jugendgruppen. Die Jugendgruppen kamen so auf etwa 630 pro Kopf Übernachtungen, was seit 1963 einer Zahl von 33.390 Kinder und Jugendlichen entspricht.
Die Hütte, die bis 1952 als Waschkaue des nahegelegenen Bergbaustollens diente, wurde im Jahr 1963 vom damaligen Landkreis Hannover übernommen und für die Jugendarbeit umgebaut. Seit jeher ist sie wichtiger Bestandteil vieler Vereine, die seit Generationen diese unterhalten und nutzen. Der Verlust dieser Hütte ist nicht nur ein herber Rückschlag für die Jugendarbeit in der Region, sondern könnte in so manchen Vereinen die Jugendarbeit gefährden. So war diese Hütte meist einer der wenigen Highlights die manch Verein zu bieten hatte. Nicht zuletzt, da durch die geringen Kosten auch die sozial schwächeren Kinder teilnehmen konnten.
Es ist schon ein sehr trauriges Schicksal, dass nun insbesondere die von den Vereinen geschätzten Vorzüge der Hütte genau die Punkte sind, die von Forstamt und Region Hannover gegen den Wiederaufbau vorgebracht werden. An den Kosten scheint es nicht zu liegen, da in den Pachtverträgen eine Brandschutzversicherung vorgeschrieben wurde, welche nun auch für den Wiederaufbau einstehen würde. Durch die vielen Vereine stehen zudem Handwerker aus allen Berufsgruppen zur Verfügung, die sofort mit dem Aufbau starten würden. Sägewerke boten Holz für den Dachstuhl kostenlos an, Brandschutzgutachten wurden erstellt, um neue Auflagen zu berücksichtigen. Auf Nachfrage beim Regionspräsidenten, der diese Hütte zudem auch aus seiner eigenen Jugend kennt, wurde deutlich, dass man sich auch hier auf die Befürchtungen der Niedersächsischen Landesforst stützt, die für die teilnehmenden Vereine zu einem Teil nachvollziehbar, zum anderen aber auch sehr weit hergeholt klingen. Auch die über 1.000 vorliegenden Unterschriften konnten an der Entscheidung keine Änderung erwirken. Da es eine solche Hütte in vergleichbarer Form wohl nur äußerst selten anzutreffen gilt, können Brandschutzgesetze für öffentliche Gebäude, diese auch nur schlecht abbilden. Man müsste sich bei diesem Einzelfall sicherlich um eine Ausnahme und Einzelfallentscheidung bemühen, doch grundsätzlich ausschließen sollte man es nicht.
Seit längerem ist zu merken, dass die Forst die Jugendarbeit in der Hütte nicht mehr in voller Stärke begrüßt und dies lässt bei vielen leider die Befürchtung, dass die Entscheidungen nicht ausschließlich aufgrund der örtlichen Gegebenheiten und Brandschutzauflagen begründet sind. Dies ist natürlich sehr schade, so hat man sich in den ganzen vergangenen Jahren um gute Zusammenarbeit bemüht und den Wald in seiner Form geschätzt und gewahrt. So nutzt noch heute mindestens eine Familie der Feuersalamander die Vielzahl an Spalten, die sich in den aufgehäuften Steinbegrenzungen finden. Auch diese werden in Kürze obdachlos werden.
Den Beteiligten um Hüttenwart Matthias Bade ist jedenfalls eines klar: Eine solche Hütte ist in ihrer Urform und unter Berücksichtigung der geltenden Vorschriften nur noch schwer zu realisieren. Aber eine vergleichbare Form ist umsetzbar und der Wunsch nach einem Neubau ist unverändert. Ein eingespieltes Team steht zur Verfügung und könnte jederzeit die Arbeit aufnehmen.